“Ich darf mir keinen Fehler erlauben.” Ein Satz, den ich in meinen Vorträgen, Workshops und Coachings immer wieder höre. Er kommt von Zahnärzt:innen und Ärzt:innen , die jeden Tag ihr Bestes geben. Die fachlich top ausgebildet sind. Die freundlich, ruhig und souverän wirken. Und doch: Innen sieht es oft ganz anders aus. “Ich bin die Tankstelle für alle – meine Patienten, mein Team, meine Familie. Aber wer tankt eigentlich mich auf?” Ein Satz, der bei vielen Anwesenden am letzten Vortrag direkt in Resonanz ging. Denn das Gefühl, auf Dauer zu funktionieren und gleichzeitig innerlich leerzulaufen, kennen viele in diesem Berufsfeld nur zu gut.

Die stille Erschöpfung im Praxisalltag

Viele Zahnärzt:innen und Ärzt:innen leben in einem ständigen Spannungsfeld: • Der Anspruch, perfekt zu arbeiten. • Die Angst, Fehler zu machen. • Das Bedürfnis, niemanden zu enttäuschen. • Der Gedanke: “Ich muss einfach durchhalten.” Was nach aussen als Souveränität wahrgenommen wird, ist innen oft ein kraftzehrendes Gedankenkarussell: “Wie soll ich das heute alles schaffen?”, “Wenn ich das jetzt abgebe, geht es schief.”, “Ich darf mir keinen Ausrutscher erlauben, sonst ist der Patient weg.” Diese inneren Monologe haben eine enorme Kraft. Denn sie sind nicht nur Gedanken. Sie wirken wie automatische PC-Programme, die im Hintergrund laufen, und unbemerkt – weil meistens unbewusst –  jeden Tag eine Menge Energie verschleissen. Und sie bleiben oft lange Zeit unsichtbar, weil sie sich so “normal” anfühlen.

Es ist nicht (nur) der volle Terminkalender

Viele glauben, der Stress komme allein von der Fülle der Aufgaben: Patienten, Technik, Personal, Organisation, Administration. Und ja – das Pensum ist hoch. Doch in Wirklichkeit ist es oft nicht das “Was”, sondern das “Wie”, das uns viel mehr erschöpft: • Wie wir über uns denken. • Wie streng wir mit uns selbst sind. • Wie hoch unsere inneren Ansprüche sind. • Und wie wir glauben, sein zu müssen, um zu genügen.

Glaubenssätze als unsichtbare Antreiber

Hinter vielen stressverstärkenden Gedanken stecken tief verankerte Überzeugungen: • “Ich muss stark sein und darf keine Schwäche zeigen.” • “Wenn ich nicht alles selbst mache, geht es schief.” • “Ich muss immer funktionieren.” Diese Glaubenssätze haben sich oft über Jahre hinweg geformt: Durch Prägungen in der Kindheit und im Studium, die Ausbildung, das Umfeld sowie durch gesellschaftliche Normen und Werte. Sie wirken wie eine Krone unter der sich Karies gebildet hat: Auf den ersten Blick sieht sie möglicherweise noch ok aus, aber darunter hat sich etwas gebildet, das schadet und weh tut, wenn man sich nicht darum kümmert.

Dein erster Schritt: Bewusstheit

Veränderung beginnt mit Wahrnehmung. Deshalb lade ich dich ein, dir heute nur eine dieser beiden Fragen zu stellen: ???? Was würde mich heute auftanken? ???? Was brauche ich – jetzt, nicht in drei Wochen? Oft ist es etwas ganz Kleines, das den Unterschied macht: • Eine bewusste Pause zwischen zwei Patienten • Ein klares, authentisches Nein • Drei Minuten Atmen vor dem nächsten Patienten, Eingriff oder Mitarbeitergespräch • Oder: Dir selbst einen wohlwollenden Gedanken schenken Diese kleinen Momente können der Anfang sein, aus dem Autopiloten auszusteigen. Vielleicht erkennst du dich in diesen Gedanken wieder. Vielleicht bist du gerade an einem Punkt, an dem du spürst: So wie bisher geht es zwar – aber nicht ohne hohen Preis. Dann nimm dir diesen einen Gedanken mit: Es ist nicht egoistisch, auf dich selbst zu achten. Es ist die Voraussetzung, um kraftvoll für andere da zu sein. Echte Veränderung hin zu mehr Wohlbefinden und weniger Stress beginnt mit einem ehrlichen Blick nach innen. Und mit der Entscheidung, gut für dich selbst zu sorgen.