Psychische Erkrankungen als Folge von Stress
Die neue Arbeits- und Lebenswelt: Wir nehmen sie wahr als schnelllebig, mehrdeutig, komplex, unsicher, unberechenbar. Dieses Phänomen wird häufig unter dem Begriff VUCA zusammengefasst (VUCA: volatile, uncertain, complex, ambiguous). Planen war gestern, heute zählt rasantes Reagieren. Dies geht nicht spurlos an uns vorbei. Seit über einem Jahrzehnt verzeichnen wir einen dramatischen Anstieg von Stresserkrankungen und Burnout. Laut Lancet erkranken weltweit jährlich über eine halbe Milliarde Menschen an einer psychischen Störung. Ursache hierfür ist eine Vielzahl an verschiedenen Stressoren, Traumata, körperliche Erkrankungen, kritische Lebensereignisse oder wichtige Übergangsphasen im Leben. Nun kommt noch mit voller Wucht die Corona-Krise dazu und katapultiert die – ohnehin schon besorgniserregende – Zahl psychischer Erkrankungen zusätzlich massiv in die Höhe.
Resilienz: Innere Stärke und Widerstandskraft
Da käme uns eine grosse Portion innere Stärke und Widerstandskraft grade recht, um mit den aus der Pandemie geborenen Belastungen, den eigenen alltäglichen Herausforderungen und all den vielen Veränderungen effizienter und gesünder umgehen zu können. Diese psychische Widerstandskraft wird mit dem Begriff Resilienz umschrieben. Doch was bedeutet das genau?
Der Begriff Resilienz (lat. resilire = zurückspringen, abprallen; engl. resilience = Elastizität, Spannkraft) stammt ursprünglich aus der Physik und bezeichnet dort die Fähigkeit eines Materials, sich (beispielsweise durch Druck oder Zug) verformen zu lassen und hinterher trotzdem wieder in die ursprüngliche Form zurückzufinden. Allgemein steht Resilienz für die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen.
In der Psychologie steht Resilienz für psychische Widerstandskraft, psychische Robustheit oder auch psychische Elastizität und bezeichnet die Aufrechterhaltung bzw. rasche Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während oder nach stressvollen Lebensumständen. Vergleichbar mit unserem Immunsystem, welches unseren Körper vor Krankheiten schützt, steht die Resilienz für das Immunsystem unserer Psyche, welches uns beim Umgang mit Stress, Krisen und Belastungen unterstützt.
Resilienz: Ein Kontinuum
Der Grad an Resilienz ist nicht in Stein gemeisselt. Er unterliegt im Laufe der Zeit Schwankungen. Niemand ist immer und absolut resilient. Glücklicherweise verfügt auch kein Mensch über null Resilienz. Im Leben gibt es Zeiten oder Lebensbereiche, in denen wir resilienter sind als zu anderen Zeiten oder Gelegenheiten.
Resilienz ist lernbar
Wissenschaftlich erwiesen ist jedoch: Wir können unsere Widerstandskraft wie einen Muskel trainieren und (weiter-)entwickeln, um flexibler und gelassener auf Veränderungen reagieren zu können, unsere Gesundheit zu fördern und uns auch in schweren Zeiten sicherer zu fühlen.
Quellen:
Amann, E. G. (2019). Taschenguide Resilienz. Haufe Verlag.
Kalisch, R. et al. (2015). A conceptual framework for the neurobiological study of resilience. Behavioral and Brain Sciences, Vol. 38, 92.
Kalisch, R., Baker, D. G. et al. (2017). The resilience framework as a strategy to combat stress-related disorders. Nature Human Behavior Vol. 1, p. 784-790.
Kunzler, A. M. et al. (2018): Aktuelle Konzepte der Resilienzforschung. Nervenarzt, Vol. 89, p. 747-753.
Robertson, I.T. et al. (2015): Resilience training in the workplace from 2003 to 2014: A systematic review. Journal of Occupational and Organizational Psychology, Vol. 88 (3), p. 533-562.
West, C. P. et al. (2016): Interventions to prevent and reduce physician burnout : A systematic review and meta-analysis. Lancet, Vol (388), p. 2272-81.