Umgang mit Fehlern

Wie oft nerven Sie sich über Fehler, die Sie oder jemand anderes gemacht hat? Kommt schon vor, oder?

Lust, dazu ein kleines Anagramm zu lösen? Bilden Sie aus denselben Buchstaben des Wortes «FEHLER» ein neues, sinnvolles Wort.

 

Und? Welches Wort haben Sie gefunden?

Etwa «HELFER»?

 

Fehler sind grundsätzlich nichts Schlechtes, sondern Helfer im Sinne von Lektionen, aus denen wir lernen können. Sie gehören zum Menschsein dazu und sind der Motor für Weiterentwicklung. Und obwohl sie so menschlich sind, fällt es uns schwer, eine gewisse Toleranz gegenüber Fehlern zu entwickeln, eigene Fehler und die anderer auszuhalten, zu akzeptieren und daran zu wachsen. In unserer Lebens- und Arbeitskultur werden Fehler viel zu oft als ein Makel, ein Unvermögen taxiert und viel zu selten wird der Fokus auf deren Lernchance gerichtet. Hier ein paar Überlegungen dazu:

Anstatt uns noch länger über Fehlleistungen oder Missgeschicke zu nerven, sich selbst oder andere abzuwerten oder Vorwürfe zu verteilen, schauen Sie lieber mit möglichst neutraler Haltung wie ein neugieriger Forscher auf die Situation. Üben Sie sich im Nicht-Bewerten.

Analysieren Sie stattdessen nüchtern, was falsch gelaufen ist, damit es sich idealerweise nicht wiederholt. Aufarbeitung braucht es. Wenn Sie Zeit benötigen, um sich zu strukturieren und zu organisieren, dann nehmen Sie sie sich.

 

In der Hitze der kochenden Emotionen kann es passieren, dass nicht wertschätzend kommuniziert oder gar jemand an den Pranger gestellt wird. Wenn jemand in Ihrer Arbeitsumgebung etwas falsch macht, verdrehen Sie im Affekt bitte nicht die Augen oder seufzen hörbar, sondern schauen Sie mit sachlich-wertschätzendem Umgangston gemeinsam mit der/dem Fehlerverursacher:in auf die Auswirkungen des Fehlschlags und nutzen Sie diesen als gemeinsame Lernchance.

Lassen Sie die negativen Emotionen möglichst schnell los und shiften Sie Ihre Gedanken blitzschnell wie einen Laserstrahl auf folgende Fragen:

„Wo liegt hier die Chance, mich / meine Mitarbeitenden / die Arbeitsprozesse in meiner Praxis / den Umgang / die Kommunikation innerhalb des Teams oder gegenüber den Patienten weiterzuentwickeln?“

„Was lernen wir als Praxisteam (oder Familie, Paar usw.) hier gemeinsam? “

„Was können wir das nächste Mal besser machen?“

„Welche Alternativen kann ich suchen?“

„Wo bin ich ängstlich zurückgezuckt, als Handeln angemessen war?“

„Wo habe ich vorschnell reagiert?“ oder

„Womit muss ich mich abfinden?“

 

Je nach dem, welche Tragweite der faux pas hat, ist es gut möglich, dass dieser shift nicht gleich ohne Weiteres gelingen mag. Bei gröberen Fehlern müssen wir zunächst unsere Emotionen in den Griff bekommen und uns sammeln, bevor wir unsere Perspektive auf die Lernchance richten können. Es ist wie beim physischen Krafttraining:  Eine 100 kg-Langhantel kann erst mit der nötigen Übung mit leichteren Gewichten in die Luft gestemmt werden. Beginnen Sie deshalb Ihre Fehlertoleranz bei kleineren Dingen einzuüben und Ihre Haltung konsequent beizubehalten.

 

Eine fortgeschrittene Variation: Bei Irrtümern und Problemen erst gar nicht mehr nach dem Verantwortlichen zu fragen, sondern das Augenmerk direkt auf den Sinn und das Lernangebot dahinter zu richten:

„Was gibt es hier Neues für mich bzw. unser Team zu lernen?“

„Worin dürfen wir wachsen & uns weiterentwickeln? “

Sammeln Sie dazu die Vorschläge aller Beteiligten ein und halten Sie diese schriftlich und für alle gut sichtbar fest.

 

Ein inspirierendes Beispiel in punkto konstruktiver Haltung zu differenziertem Lernen aus Fehlern liefert Thomas A. Edison. Bevor es ihm gelang, eine Glühbirne zum dauerhaften Leuchten zu bringen, kam ein junger Wissenschaftler in das Labor und sah unglaublich viele durchgeglühte Drähte. Er fragte Edison: „Ist es nicht deprimierend, so viele Rückschläge zu haben?“ Edison blickte ihn verwundert an und sagte: „Was heisst hier Rückschläge? Ich habe 5000 Möglichkeiten entdeckt, wie man keine Glühbirne herstellt!“

 

Mit diesem Mindset gelingt es leichter, Fehlertoleranz aufzubauen. Und diese beginnt stets bei uns selbst. Gelingt es uns, bei einem Fehler uns selbst statt mit Selbstkritik mit mehr Selbstmitgefühl zu begegnen, dann hat das auch für das ganze Team Vorbildcharakter. Nach und nach entwickelt sich eine tolerante Fehlerkultur in Ihrem Lebens- und Arbeitsumfeld. Diese Haltung ist nervenschonender, ermöglicht bessere zwischenmenschliche Beziehungen und ist produktivitätssteigernd. Denn wer befürchten muss, bei einem faux pas eins auf’s Dach zu bekommen, lebt und arbeitet in Angst. Und bei angezogener Handbremse ist maximal noch Dienst nach Vorschrift möglich. Solche Mitarbeitenden trauen sich weder Verantwortung zu übernehmen, noch eigene Ideen einzubringen, geschweige denn die Fehler des Chefs diesem zurückzumelden. Der Teamspirit leidet. Kreative Lösungsorientierung und Innovationskraft gehen verloren.

 

Seien Sie deshalb bei Fehlern nicht allzu streng und erlauben Sie sich und anderen eine Lernkurve. Ein Fehler ist nichts Endgültiges, sondern ein Schritt auf dem Weg nach vorne in die Weiterentwicklung. Mit der Zeit werden Sie so auch gegenüber gröberen Themen widerstandsfähiger. Und behalten Sie das Positive im Fokus: Wir machen doch ohnehin schon viel mehr richtig als falsch ?

Fehlertoleranz ist ein resilienzstärkender Faktor. Es lohnt sich, darin zu investieren.

 

>>> Hier geht’s zum Artikel in der ZZS für mehr Resilienz für Ärzte und Zahnärzte.